Die FIS Kampagne #TRYHARDERFIS

Bestimmt habt ihr als Outdoor-Sportler:innen in den vergangenen Wochen die Bilder von Baggern hoch oben auf Gletschern gesehen. Die Berichterstattung über die FIS und unsere Petition ist groß und – ehrlich gesagt – teilweise auch etwas wild. Damit ihr euch ein umfassendes Bild machen, und auch mitreden könnt, erklären wir hier die Hintergründe und unsere vier Forderungen transparent.

Hintergründe der Kampagne

Im kompetitiven Schneesport spürt man derzeit die Auswirkungen des Klimawandels. Wettkämpfe werden aufgrund extremer Wetterereignisse oder Schneemangel abgesagt. Eine Studie zeigt, dass fast alle der bisherigen 21 Austragungsstätte bis 2080 zu warm und trocken sein werden, um sichere und faire Winterspiele auszurichten, wenn wir den aktuellen Emissionspfad beibehalten. Als  einzige Ausnahme gilt übrigens Sapporo, Japan (1).

Dieser Schneedeckenverlust betrifft weit mehr als nur unsere Wintersportaktivitäten. Ein schwerwiegender und ungebremster Klimawandel könnte dazu führen, dass das Eis und der Schnee der Berggletscher bis zum Jahr 2100 um bis zu 80 % (Vergleichsjahr 2015) zurückgehen. Das gefährdet die 1,9 Milliarden Menschen, die für ihre Wasserversorgung auf Schnee oder Gletscherschmelzwasser angewiesen sind (2).

Die FIS (Féderation Internationale de Ski) ist der internationale Skiverband und damit eine weltweit tätige Organisation. Neben dem alpinen Skisport kontrolliert die FIS auch Sportarten wie Freeride, Snowboard, Telemark, nordische Sportarten und viele andere. Die Institution hat die Macht, systemische Veränderungen innerhalb der wettbewerbsintensiven und breiteren Skiindustrie herbeizuführen. Und so eine führende Rolle im Klimaschutz einzunehmen. Stattdessen sehen wir bei Protect Our Winters global eine Organisation, die sich nur langsam bewegt. Und deren erklärte Klimaschutzmaßnahmen unserer Meinung nach entweder unzureichend oder intransparent sind.

Und das sehen nicht nur wir so.

Der offene Brief im Sommer 2023

Anfang 2023 unterzeichneten 500 professionelle Wintersportler:innen einen offenen Brief, in welchem sie den Internationalen Ski- und Snowboardverband (FIS) zu stärkeren Klimaschutzmaßnahmen aufriefen. Initiator des offenen Briefs war Julian Schütter, selbst professioneller Skirennläufer. Zu den Unterzeichnern gehörten betroffene aktuelle und ehemalige FIS-Teilnehmer, darunter die aktuellen Megastars des alpinen Rennsports Mikaela Shiffrin (USA), Aleksander Aamodt Kilde (NOR), Travis Ganong (USA) sowie die Langlauf-Olympiasiegerin Jessie Diggins (USA) und die ehemaligen Freeride-World-Tour-Champions Arianna Tricomi (ITA) und Xavier de le Rue (FRA).

Lest hier gerne den ganzen offenen Brief an die FIS nach.

Trotzdem wurde nicht genug getan und wir glauben, dass die FIS sich mehr anstrengen muss, um das Vorbild im Klimaschutz zu sein, den unser Sport verdient. Und daher haben wir nur ein halbes Jahr nach dem offenen Brief mit einer Kampagne #TRYHARDERFIS weitergemacht.

Image of excavators working on the Theodul Glacier in Zermatt, published on 14.10.2023 preparing the slope for a FIS World Cup. Sebastian Anex / 20minutes.ch

Die Kampagne #TRYHARDERFIS

Wir laden die gesamte Community und jede:n einzelne:n Outdoorsportler:in ein, sich dem Aufruf der Athlet:innen anzuschließen, indem wir eine Petition starten.

Wir stellen euch unsere konkreten vier Forderungen einzeln und nachvollziehbar vor. Ihr könnt auch jeweils die Quellen nachlesen und zusätzliches Hintergrundwissen erfahren.

1. Umsetzen einer zielorientierten Nachhaltigkeitsstrategie – einschließlich einer Roadmap, um bis 2030 eine Emissionsreduzierung von 50 % zu erreichen.

Im November 2021 unterzeichnete die FIS das UNFCCC Sports for Climate Action Framework

Das Framework erfordert:

Von den Unterzeichnern wird erwartet, dass sie so bald wie möglich, aber innerhalb von 12 Monaten nach dem Beitritt, Pläne bei der UN-Klimakonferenz einreichen und erläutern, welche Maßnahmen zur Erreichung ihrer Klimaversprechen ergriffen werden, insbesondere kurzfristig (Ziel 2030).

Das Ziel für 2030: „Bis spätestens 2030 die Treibhausgasemissionen um 50 % reduzieren.“ Der Basiswert von 2019 wird empfohlen.

Zwei Jahre nach der Unterzeichnung gibt es seitens der FIS keine Veröffentlichung ihrer Strategie zur Erreichung dieses Ziels. Es ist 12 Monate überfällig und daher eine zentrale Forderung unserer Petition.

2. Veröffentlichung der Umweltauswirkungen der FIS mit voller Transparenz

Im Jahr 2021 veröffentlichte FIS mithilfe des Partners Planet Mark seine erste Schätzung der Ereignissemissionen. Eine von Mission Zero – Klima Partner durchgeführte Studie Dritter hat jedoch erhebliche Zweifel an der Qualität der von FIS bereitgestellten Informationen geäußert. Die von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie prüfte die Plausibilität der „FIS Events Emission Estimation Executive Summary“ anhand der Expertise von Sportler:innen, Insidern und Informationen von Weltcup-Austragungsorten.

Lest gerne die vollständige deutschsprachige Studie.

Die Auswertung von Mission Zero mithilfe des FIS-internen Berechnungstools ergab, dass lediglich vier Großveranstaltungen in Kitzbühel, Schladming, Adelboden und Sölden sowie Athletenflüge (auf Weltcup-Niveau) für 85 Prozent der Gesamtemissionen im alpinen Skisektor verantwortlich sind.

Bei über 30 Weltcup-Veranstaltungen, 300 kontinentalen Veranstaltungen und Hunderten kleinerer Rennveranstaltungen im alpinen Skisektor ist es offensichtlich, dass die FIS ihre Veranstaltungsemissionen massiv unterschätzt.

Die Schlussfolgerung des Berichts:

Vorab kann festgehalten werden, dass die FIS mit der Executive Summary zu den Ereignisemissionen und den veröffentlichten zugänglichen Daten keine transparente und nachvollziehbare Einschätzung liefert. Sämtliche Berechnungen, Auswertungen, Ableitungen und Gegenkontrollen deuten auf eine unplausible und unterschätzte Gesamtbewertung der Emissionen hin.

Der zweite Fall mangelnder Transparenz betrifft die Behauptung der FIS, sie sei klimapositiv, basierend auf ihrem Kompensationsprogramm (eine Behauptung, die durch die kommende EU-Gesetzgebung zu „Green Claims“ bald illegal werden wird).

Der Status „Klimapositiv“ beruht stark auf der Verwendung von „Ausgleichszahlungen für vermiedene Entwaldung“. Nach Ansicht von POW und vielen führenden Klimaexperten sollten Ausgleichszahlungen nur zum Ausgleich derjenigen Emissionen verwendet werden, die auf betrieblicher Ebene nicht vermieden werden können.

Alle von der FIS beanspruchten Ausgleichsmaßnahmen liegen im Amazonasgebiet. In diesem Fall ist es von entscheidender Bedeutung, dass vermiedene Entwaldungsprojekte auf Zusätzlichkeit geprüft werden können, d. h. wäre der Wald verloren gegangen, wenn das Ausgleichsprojekt nicht stattgefunden hätte? Damit die Glaubwürdigkeit ihrer Behauptungen gewahrt bleiben soll, müssen der Nachweis dafür sowie der Umfang der für diese Projekte bereitgestellten Finanzmittel und die Menge des durch diese Projekte eingesparten Kohlenstoffs öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Tatsache, dass der Präsident der FIS auch Gründer und Co-Vorsitzender von Cool Earth (der Organisation, die bei Offset-Projekten berät) ist, verleiht der Transparenz dieses Aspekts der Geschäftstätigkeit von FIS eine zusätzliche Bedeutung.

Auch wenn sich herausstellt, dass die FIS einen wirklich unabhängigen Dritten zur Zertifizierung der Kompensationen eingesetzt hat (z. B. Gold Standard oder VCS), gibt es immer noch Bedenken, einen CO2-Positiv-Status allein aufgrund der Kompensationen zu beanspruchen. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass 90 % dieser Ausgleichszahlungen praktisch wertlos sind.

Die Wirtschaftsexpertin von Greenpeace Österreich, Ursula Bittner, sagt zum Einsatz von Offsets durch die FIS:

„Begriffe wie klimaneutral oder im Fall des FIS sogar klimapositiv sind irreführend. Sie sind nichts weiter als pures Greenwashing… Die Existenzgrundlage des Skifahrens schmilzt dahin. Es ist höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen und bei Großveranstaltungen wie beispielsweise der Ski-Weltmeisterschaft direkt CO2 einzusparen, anstatt in weit entfernte Projekte zu investieren. Das Vergütungsmodell ist ein Betrug auf unserem Planeten“ (3)

3. Anpassen des Wettkampfkalenders an klimatische Bedingungen, um die Auswirkungen des Reisens zu reduzieren und den Klimawandel zu respektieren

Die Jahreszeiten ändern sich! Der Klimawandel führt dazu, dass es jedes Jahr immer später schneit. Eine in „Nature“ veröffentlichte Studie deutet auf einen Rückgang der Schneedecke um 36 Tage im Vergleich zum langjährigen Mittel hin. Dennoch besteht die FIS weiterhin darauf, Weltcuprennen im Oktober anzusetzen, bevor überhaupt der erste Schnee gefallen ist. Die im offenen Brief der Athlet:innen enthaltenen Forderungen nach einer Verschiebung um einen Monat führten zu einer Verschiebung von nur einer Woche und einer Verschiebung des Datums auf die Startzeit von 2019. Wir sehen jetzt in der Presse Bilder von Bulldozern und Baggern, die daran arbeiten, Gletscher in Rennstrecken zu verwandeln. Hinzu kommt die übermäßige Abhängigkeit von künstlicher Beschneiung.

Eine einfache Verschiebung der Saison um einen Monat bis zum Beginn des Schnees und eine Verlängerung um einen Monat bis in den Frühling hinein, wenn noch natürlicher Schnee vorhanden ist, würden die Auswirkungen der Rennsaison auf unsere Bergwelt massiv reduzieren.

Es gab eine leichte Verbesserung im FIS-Kalender, um Langstreckenflüge für einige Athleten in alpinen Disziplinen zu reduzieren, und dafür würdigen wir die Arbeit der FIS, in anderen Disziplinen wie Free-Ski gibt es noch viel zu tun.

4. Die FIS sollte ihren politischen Einfluss nutzen, um sich auf Regierungsebene für Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen

Jede Organisation mit dem Einfluss der FIS muss sich politisch für systemische Maßnahmen zum Klimaschutz auf Regierungsebene einsetzen. POW ist jederzeit gerne bereit, mit der FIS zu diesem Thema zusammenzuarbeiten.

POW arbeitet innerhalb der Organisation global zusammen an diesem Thema. Dieser Blogartikel ist von POW EU recherchiert und hier für euch in deutscher Sprache aufbereitet.

Quellen:

(1) Daniel Scott, Natalie L. B. Knowles, Siyao Ma, Michelle Rutty & Robert Steiger (2023) Climate change and the future of the Olympic Winter Games: athlete and coach perspectives, Current Issues in Tourism, 26:3, 480-495, DOI: 10.1080/13683500.2021.2023480

(2) Bethan Davies, Senior Lecturer in Glaciology, Royal Holloway University of London.

https://theconversation.com/the-worlds-mountain-water-towers-are-melting-putting-1-9-billion-people-at-risk-128501

(3) https://greenpeace.at/presse/duplicate-of-greenpeace-omv-muss-staatsoper-sponsoring-stoppen-und-fossiles-geschaeftsmodell-beenden/

Titelbild: @Christop Jorda, Rennvorbereitung zu Beginn der Saison in Sölden, normalerweise das erste Rennen im Kalender. Dieser frühe Start erforderte viele Jahre lang eine intensive Rennvorbereitung, tatsächlich stammt dieses Foto von der Rennvorbereitung im Jahr 2023. Es ist Zeit aufzuhören.

Rachel Pechholz

Rachel Pechholz

Rachel mag den Winter mehr als den Sommer und ist am liebsten mit Splitboard oder MTB in den Bergen. Egal zu welcher Jahreszeit macht sie beruflich Digital Marketing und interessiert sich für Themen wie Brands, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Bei POW unterstützt sie daher seit 2019 im Marketing und Social Media, kreiert Kampagnen oder ist auf Events am Start.