IPCC-Synthesebericht fordert sofortige, einschneidende Maßnahmen, um im 1,5 Grad-Limit zu bleiben

In dem kürzlich veröffentlichten sechsten Synthesebericht warnt der Weltklimarat (IPCC), dass wir aktuell nicht auf dem richtigen Weg sind um in dem 1,5 Grad-Limit zu bleiben. Die Treibhausgasemissionen müssen bis 2030 um 50% reduziert werden, um das 1,5 Grad-Limit nicht zu überschreiten. Mit jedem weiteren Schritt der globalen Erderhitzung nehmen die Klimagefahren und die Risiken für Ökosysteme und Menschen zu. Generell sind genügend Lösungen vorhanden, aber die aktuellen Maßnahmen sind unzureichend.  Kurzfristiges Handeln ist unerlässlich, um einen Klimazusammenbruch zu verhindern. Wir haben nur noch sieben Jahre Zeit, um das 1,5° Grad-Limit in Reichweite zu halten.  Tiefgreifende, rasche Reduzierungen der Treibhausgasemissionen sind sofort und noch in diesem Jahrzehnt erforderlich.

Zur Einordnung: Was ist der IPCC und der Synthesebericht?

Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), ein Zusammenschluss tausender Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt, ist eine Institution der Vereinten Nationen (UN) und wurde 1988 von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gegründet. Die vom IPCC erstellten Berichte dienen dazu, den aktuellen Kenntnisstand zum Klimawandel aufzuzeigen und diesen aus wissenschaftlicher Sicht zu bewerten. Der Weltklimarat forscht und modelliert nicht selbst, sondern nutzt zum Verfassen der Berichte die weltweit veröffentlichte Fachliteratur. Die Mitglieder der Autor:innen-Teams kommen aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen.

Der sechste Sachstandsbericht des IPCC, der am 20. März veröffentlicht wurde, fasst jahrelange, von Fachleuten geprüfte Forschungsarbeiten über die Ursachen und Folgen der Klimakrise zusammen und ist wohl die letzte Aktualisierung des internationalen Gremiums von Klimaexperten, bevor es unmöglich wird, die Erwärmung der Welt um mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu verhindern. Sobald diese Schwelle überschritten ist, so die Wissenschaftler:innen, könnten ganze Ökosysteme zusammenbrechen und Millionen von Menschen würden wahrscheinlich bis zum Ende des Jahrhunderts durch zunehmende Hitzewellen, Stürme und Hungersnöte ums Leben kommen.

Der sechste IPCC-Sachstandsbericht besteht aus drei Bänden. Jeder Teilbericht wird von einer Arbeitsgruppe von Fachautor:innen verfasst und ist die aktuellste und vollständigste Publikation zum Stand der Klimaforschung. Der erste Teil wurde im August 2021 vorgestellt und behandelt die naturwissenschaftlichen Grundlagen des menschengemachten Klimawandels. Im zweiten Teil, der im Februar 2022 veröffentlicht wurde, geht es um die Folgen des Klimawandels, die Anpassung und Verwundbarkeit. Dieser Teilbericht zeigt, welche dramatischen Auswirkungen die Klimakrise auf Ökosysteme, die biologische Vielfalt, Menschen und die Gesellschaft bereits hat. Der dritte Teilbericht, veröffentlicht im April 2022, befasst sich mit der Minderung des Klimawandels. Er bewertet die Fortschritte bei der Begrenzung von Emissionen und das Spektrum an verfügbaren Minderungsoptionen in Energiesystemen und Städten sowie in Sektoren wie Land- und Forstwirtschaft, Landnutzung, Gebäude, Verkehr und Industrie. Dabei betrachtet er den Zusammenhang zwischen Maßnahmen in der nahen und mittleren Zukunft sowie langfristigen Emissionspfaden zur Begrenzung der globalen Erwärmung.

Mit der kommenden 59. IPCC-Sitzung im Juli 2023 in Nairobi wird der 6. Berichtszyklus abgeschlossen und der neue siebte Berichtszyklus gestartet.

Kernaussagen aus dem IPCC Synthesebericht

Der Planet befindet sich an einem Wendepunkt, was die Klimakrise betrifft. Die wissenschaftlichen Beweise sind eindeutig. Die globale Erderhitzung wird durch die steigenden Treibhausgasemissionen aus menschlichen Aktivitäten verursacht und führt bereits zu starken Beeinträchtigungen der Natur, des menschlichen Wohlergehens, der Unternehmen und der Wirtschaft in allen Regionen. Die Klimakrise ist die Ursache der immer häufigerer und verheerender auftretenden Extremwetterereignisse. Diese ereignen sich global, aber auch regional wie das Hochwasser 2022 in Deutschland. Ein Kind, das heute geboren wird, wird im Durchschnitt ein Vielfaches der extremen Wetterereignisse in seinem Leben erleben als seine Großeltern. Und das Zeitfenster, um das Temperaturziel von 1,5°C einzuhalten und weitere katastrophale Auswirkungen zu vermeiden, ist fast geschlossen. Die globale Oberflächentemperatur lag im letzten Jahrzehnt rund 1,1 °C über dem vorindustriellen Niveau, mit weiter steigender Tendenz. Im aktuellen Bericht bewertet der IPCC das Ausmaß und die Größenordnung der Auswirkungen des Klimawandels größer als in früheren Bewertungen.

Besonders in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Geschwindigkeit der Klimakrise weiter zugenommen und hat bereits erhebliche Schäden und zunehmend irreversible Verluste in Land-, Süßwasser-, Kryosphären-, Küsten- und offenen Meeresökosystemen verursacht. Die irreversiblen Schäden sind auch als “Kipppunkte” bekannt. Laut Definition des Weltklimarats IPCC ist ein Kipppunkt »eine kritische Grenze, jenseits derer ein System sich umorganisiert, oft abrupt und/oder unumkehrbar«. Mit »sich umorganisiert« ist gemeint, dass das System ab dem kritischen Punkt von selbst in einen ganz anderen Zustand übergeht. Ökosysteme mit bekannten Kipppunkten sind etwa die großen Eisschilde auf Grönland und in der Westantarktis, die Atlantikzirkulation, der Amazonaswald oder die Korallenriffe.

Die Klimakrise gefährdet das Leben von Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt. Insgesamt drohen das Aussterben von zehntausenden von Spezies und damit immense Verluste an Biodiversität. Der Bericht stellt fest, dass jedes Zehntel Grad zusätzlicher Erwärmung die Bedrohung für Menschen, Arten und Ökosysteme verschärfen wird.

In Bezug auf den Wintersport bedeutet es, dass viele niedrig gelegene und kleine Gletscher auf der ganzen Welt den Großteil ihrer Masse verlieren oder innerhalb von Jahrzehnten bis Jahrhunderten verschwinden werden (siehe hierzu auch den POW Blogartikel zu Gletscherschwund). Desweiteren wird für die Alpenregion aufgrund der globalen Erwärmung ein Rückgang der Schneefälle und der Schneedecke erwartet. Dem IPCC Bericht Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability zufolge ist die Schneedecke in den europäischen Alpen seit den 1960er Jahren um etwa 16 % pro Jahrzehnt zurückgegangen, und dieser Trend wird sich voraussichtlich auch in Zukunft fortsetzen. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts können die Schneefälle in den Alpen um 20-30 % zurückgehen, je nach Klimaszenario. Der Rückgang der Schneefälle und der Schneedecke im Alpenraum kann erhebliche Auswirkungen auf Wasserressourcen, Landwirtschaft, Tourismus und Ökosysteme haben. Er kann auch das Risiko von Naturgefahren wie Lawinen und Erdrutschen erhöhen.

Mit jedem weiteren Schritt der globalen Erwärmung werden die Veränderungen bei den Extremen noch größer. Eine zusätzliche Erwärmung, z.B. über 1,5°C – eine „Overshoot-Periode“ wird zu irreversiblen Auswirkungen auf bestimmte Ökosysteme mit geringer Widerstandsfähigkeit führen wie z. B. die Auswirkungen der hydrologischen Veränderungen infolge des Rückzugs der Gletscher oder die Veränderungen in einigen Gebirgsökosystemen und arktischen Ökosystemen infolge des Auftauens des Permafrosts. Die Veränderungen des Wasserhaushaltes sind in zwei Richtungen zu sehen: 1) in stark vergletscherten Gebieten steigt durch die Gletscherschmelze die Menge des abfließenden Wassers und kann zu Überflutungen und Hochwasser führen, 2) in bereits stark abgeschmolzenen Gletscherregionen nimmt die Wassermenge durch geschmolzenen Gletscher ab und kann zu Wassermangel und Trockenmonaten führen.

Anna Zumegen
Anna Zumegen

Je nach Jahreszeit ist Anna zum Klettern, Wandern, Skitouren, Trail Running und Radeln unterwegs. Bei POW ist Anna, um sich mit weiteren passionierten Outdoor-Menschen für den Klimaschutz stark zu machen.