Gletscherschwund – thin ice

Skifahren und Boarden das ganze Jahr über? Was aktuell noch in ein paar wenigen Gletscherskigebieten in den Alpen möglich ist, wird bald der Vergangenheit angehören. Der Grund ist einfach: Viele Gletscher werden schon bald verschwunden und die Alpen bis 2100 weitgehend eisfrei sein. Das hat Auswirkungen auf die Hochgebirgslandschaft und eben auch auf den Wintersport. Ein Blick in die Zukunft.

Der vergangene Sommer hat den Alpengletschern enorm zugesetzt. Hitze und eine fehlende, schützende Schneedecke aus dem Vorwinter haben das blanke Eis großflächig der Sonne und den hohen Temperaturen ausgesetzt, was in einer Rekordschmelze resultierte und vielerorts ein trauriges Bild hinterließ. Dazu kam der Saharastaub, der die Schmelze noch weiter verstärkte. Die Auswirkungen? In Deutschland wurde dem Südlichen Schneeferner an der Zugspitze (einem von bis dato ohnehin nur 5 kleinen Gletschern) letzten Sommer der Gletscherstatus aberkannt, zu jämmerlich sind die verbleibenden Eisreste dort. Am Dachstein in Österreich hingegen gibt es noch einen Gletscher, der Klimawandel hat ihm aber so zugesetzt, dass der Skibetrieb in dieser Wintersaison erstmals abgesagt werden musste – zu groß wäre der Aufwand gewesen, Liftstützen zu versetzen und entstandene Gletscherspalten auf den Pisten zu schließen. Und das sind nur zwei Beispiele, die den Gletscherschwund klar sichtbar machen, an anderen Orten sieht es nicht besser aus.

Zukunft ohne Eis

Während Sommerskigebiete in Zeiten des Klimawandels sowieso längst aus der Zeit gefallen wirken, hat das Abschmelzen der Gletscher weitaus größere Konsequenzen als Einschränkungen beim Wintersport:

Der Eisverlust lässt den globalen Meeresspiegel ansteigen (aktuell um ca. 3.7 mm pro Jahr, mit beschleunigender Tendenz; Quelle: IPCC Report), Gefahren durch Gletscherinstabilitäten werden häufiger werden und viele Bergregionen sind auf das Süßwasser der Gletscher angewiesen. Dass dieses im Sommer durch Gletscherschmelze zur Verfügung steht, ist normal: In den höheren Lagen wird Winterschnee nach und nach zu Eis verdichtet, das durch die Schwerkraft langsam Richtung Tal fließt (ähnlich wie Honig auf einem schiefen Löffel) und an der Gletscherzunge im Sommer wieder schmilzt. Nur übersteigt das abgeschmolzene Volumen inzwischen bei weitem das neu hinzugewonnene Volumen durch Schneeakkumulation im Winter.

No snow, no show!

Die Gletscherforschung bezeichnet das als negative Massenbilanz, die Gletscher schmelzen also ab. In Deutschland werden die verbleibenden vier Gletscher (zwei davon befinden sich an der Zugspitze, die anderen beiden in den Berchtesgadener Alpen) nach Berechnungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften schon in zehn Jahren verschwunden sein.

Klar, die Berge in den Deutschen Alpen sind vergleichsweise niedrig, aber viel besser sieht es in den angrenzenden Gebieten der Ostalpen (in etwa östlich der gedachten Line Bodensee-Mailand) auch nicht aus: Im Einzugsgebiet des Inns wird es einer Studie zufolge im Jahr 2060 kein Eis mehr unter 3600 m geben. Bedenkt man, dass in Österreich nur wenige Berge diese Höhe überragen, werden auch in unserem Nachbarland bis dahin die meisten Gletscher verschwunden sein. Auf den ganzen Alpenraum betrachtet, wird bis zum Ende des Jahrhunderts voraussichtlich nur in den allerhöchsten Regionen der Schweiz, Italien und Frankreichs Eis verbleiben.

Je nach Klimaszenario prognostizieren Wissenschaftler, dass bis 2100 nur etwa ein Drittel bis wenige Prozent des Eisvolumens (relativ zu 2017) verbleiben. Aktuell erscheint die pessimistischere Prognose deutlich wahrscheinlicher – mit den aktuellen Klimabemühungen wird das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung bis 2100 möglichst auf 1.5°C relativ zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, deutlich verfehlt. Die Alpen wären dann also bis zum Ende des Jahrhunderts weitgehend gletscherfrei.

Sind die Gletscher noch zu retten?

Kurz gesagt: Nein. Die meisten Alpengletscher haben nämlich keine Chance zu überleben, auch nicht, wenn die angestrebte Begrenzung der Erderwärmung auf 1.5°C eingehalten werden sollte. Der Punkt ist überschritten, es geht lediglich darum, wie schnell die Gletscher abschmelzen. Das gilt insbesondere für die oben bereits erwähnten Gletscher in Deutschland und Österreich. Für uns als Bergsportler bedeutet das, dass Gletscherkontakt auf Hochtouren immer seltener wird und Skifahren im Sommer bald der Vergangenheit angehört.

Die gute Nachricht: Im globalen Kontext hat das Erwärmungsszenario durchaus Auswirkungen auf den Verlust bzw. den Verbleib von Gletschereis. Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Eisverlust linear mit der durchschnittlichen globalen Temperaturerhöhung zusammenhängt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jedes verhinderte Zehntelgrad Erderwärmung sich positiv auf die Menge  verbleibenden Gletschereises auswirkt. Die Studie liefert auch konkrete Zahlen: Wird die Erderwärmung auf 1.5°C begrenzt, verlieren die Gletscher etwa ein Viertel ihrer Masse, bei einer Erwärmung auf 4°C hingegen bereits knapp die Hälfte. Allerdings werden auch im ersten Szenario fast die Hälfte der mehr als 200000 in der Studie betrachteten Gletscher verschwinden.

Es ist also allerhöchste Eisenbahn, für eine sofortige und drastische Reduktion der Treibhausgase (auch im wörtlichen Sinne der Verkehrswende), um die Erderwärmung zu begrenzen. Es ist die einzige Möglichkeit, einen Teil der Gletscher unserer Erde zu retten und den Meeresspiegelanstieg zu bremsen. Auch ihr könnt einen Beitrag dazu leisten: Unterstützt unsere Petition Thin Ice Think Twice, die einen attraktiven ÖPNV für Berg- und Wintersportler fordert.

Weitere und tiefergehende Infos zum Thema Gletscher und Klimawandel sind im Zweiten Bayerischen Gletscherbericht anschaulich aufbereitet. Neben den in Deutschland verbleibenden Gletschern, werden darin auch die gesamten Alpen behandelt und grundlegende Gletscherprozesse erklärt. Neben vielen interessanten Fakten gibt es dort auch einige spektakuläre Bilder zu sehen – ein Blick in den Bericht lohnt sich also!

Fabian Lindner
Fabian Lindner